Eisenbahnthemen im Koalitionsvertrag und Zerschlagung DB abgewendet

am 28.11.2021

Die Ampelkoalition hat sich viel vorgenommen. Der neue Koalitionsvertrag enthält einige für uns wichtige Punkte:
  • Die Ampelkoalition will die Investitionen in die Schienen-Infrastruktur erhöhen. Mehr noch: Es soll mehr Geld in die Schiene als in die Straße fließen.
  • Die Finanzierung soll künftig Verkehrsträger-übergreifend organisiert werden. Damit können auch endlich Einnahmen aus der Lkw-Maut in die Schiene fließen!
  • Die Tariftreue bei Vergaben soll gestärkt werden. Wir erwarten, dass die Anwendung repräsentativer Tarifverträge nicht nur für den Bund gilt, sondern auch für Länder und Kommunen verbindlich vorgegeben wird. Im ÖPNV und im SPNV.
  • Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt werden. Beginnen will die Ampelkoalition bei den Schienenprojekten, die für den Deutschlandtakt wichtig sind.
  • Die Zerschlagung der Deutschen Bahn ist abgewendet. Dafür haben wir gemeinsam gekämpft! Der Konzern bleibt erhalten, einschließlich des konzernweiten Arbeitsmarktes.
Das klingt sehr positiv für den Verkehrsträger Schiene! Diesen Worten müssen aber nach Jahrzehnten der asphaltlastigen Verkehrspolitik nun endlich auch Taten folgen! Der enorme Investitionsrückstau muss abgebaut und ein modernes und klimafreundliches Bahnangebot geschaffen werden. 

Quelle: EVG-Aushang


Zerschlagung abgewendet und was die GDL für eine Rolle spielt

Am 16. November 2021 wurde vor den Parteizentralen in Berlin von B'90/Grünen und FDP demonstriert.
Organisiert von der EVG, waren wir etwa 1200 Personen. Mit dabei war auch Unterstützung von:

  • CGT (französischer Gewerkschaftsbund) [Rede, übersetzt]
  • FNCTTFEL (Luxemburgische Eisenbahngewerkschaft)

Solidarisch zeigten sich auch (sowie nachträglich):

  • DGB (Dachgewerkschaftsbund der EVG)
  • ITF - Internationale Transportarbeiter Förderation [Brief]
  • CGSP Cheminots [Brief]
  • Vida (Österreichische Eisenbahngewerkschaft)
  • Fridays for Future
  • Naturfreunde Deutschland

Wichtige Zitate der Sprecher auf der Demo:

Wir sind stinksauer. Statt sich um die wirklichen Probleme zu kümmern, leben Grüne und FDP ihren Zerschlagungsfetischismus aus.
[...]
FDP und Grüne sollten sich lieber um die Versäumnisse der letzten Jahre kümmern: Schnellere Zulassung von Fahrzeugen, schnellere Genehmigungsverfahrens, auskömmliche Finanzierung des gesamten Systems
Heike Moll, 
GBR-Vorsitzende DB Station & Service
Als erste wären die Dienstleister betroffen: Sie könnten ausgelagert werden, ihr wisst, was das bedeutet. Damit würde ausgerechnet der Bund, unser Eigentümer, gute Jobs den neoliberalen Raubrittern ausliefern. Das ist ungeheuerlich und unerträglich.
Jens Schwarz, KBR-Vorsitzender DB AG
Gäbe es einen funktionierenden Bahnbetrieb ohne Dienstleister? Nein, nein und nochmals nein.
[...]
Liebe Politiker, fragen Sie die richtigen Experten. Wir sind hier!
Caner Cengiz, GBR-Vorsitzender DB Services
Alle in ganz Europa würden unter den gleichen schädlichen Auswirkungen der Durchsetzung von Wettbewerb und Liberalismus leiden.
[...]
Es ist höchste Zeit, sich von dem liberalen Dogmatismus zu lösen, der in vielen Ländern bereits so viel Schaden angerichtet hat.
[...]
Deshalb müssen wir, die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner Europas, uns gemeinsam dafür einsetzen, dass der Schienenverkehr wieder in Gang kommt. Aus diesem Grund ist der Verband der Eisenbahnbeschäftigten der CGT Föderation an Eurer Seite.
Thierry Nier, 
Stellvertretender Generalsekretär der CGT

Weitere Sprecher werden im EVG-Artikel erwähnt

Fassen wir also zusammen:

Wichtige Arbeitnehmervertretungen und solche, die sich für das System Eisenbahn einsetzen und auch verstehen, sind gegen eine Zerschlagung aus offensichtlichen Gründen:
EVG, DGB, Vida, CGT, FNCTTFEL, IFT. Zusammen vereinigen sie mehrere Millionen Transport- und Eisenbahnpersonale und haben schon die ein oder andere Zerschlagung hinter sich.
Alleine die ITF vereint 695 Transport- und Eisenbahngewerkschaften. Die GDL ist dort jedoch kein Mitglied, auch nicht in der ETF, die als europäische "Abteilung" des ITF fungiert.


Kommen wir zum Standpunkt der GDL

https://www.gdl.de/Aktuell-2021/Pressemitteilung-1636974800

Sie hat sich kürzlich mit weiteren Verbänden zusammengetan, um eine Herauslösung der DB Netz aus dem Konzern zu forcieren.
Bis jetzt bleiben diese Organisationen jedoch eine erschöpfende Erläuterung schuldig, warum es ausgerechnet in Deutschland nötig ist, den integrierten Konzern abzuschaffen, obwohl die für guten Eisenbahnverkehr international gelobten Nachbarländer Österreich und Schweiz, beide mit integriertem Konzern und gut funktionierenden pünktlichen Eisenbahnsystem, funktionieren.

Da wirken folgende Zitate arg deplatziert:

und daher die Infrastruktur ausschließlich nach Qualitätskriterien und Kundenzentrierung zu führen. Dies bedingt zwingend, sie von den DB-Transporteuren zu entflechten und so für Transparenz zu sorgen.
mofair-Präsident
Ineffiziente integrierte Konzerne in den Nationalstaaten stehen im Widerspruch zum einheitlichen europäischen Eisenbahnraum der Zukunft.
ALLRAIL-Präsident

Man sollte jedoch nicht 16 Jahre Union-geführte Regierung und Verkehrsministerien und dementsprechend Börsenpläne (zu dem auch die SPD damals nicht abgeneigt war) mit der Bahnreform vergleichen. Der Verkehrsminister hält theoretisch eine Aktionärsversammlung mit sich selber (100% Anteil des Bundes) und kann somit alleinig die Richtung der Aktiengesellschaft vorgeben.

Betrachten wir auch mal einige Verbände, mit denen sich die GDL zusammen tat:

  • mofair: Zusammenschluss einiger Privatbahnen. Das Präsidium ist ausschließlich mit geschäftsführenden Personen der teilnehmenden EVU besetzt, also keine Personen aus dem direkten operativen Eisenbahnbetrieb, auch kein EBL. [Quelle]
  • ALLRAIL: Zusammenschluss in der nur Privatbahnen erlaubt sind. Der Vorstand ist ausschließlich mit geschäftsführenden Personen der teilnehmenden EVU besetzt, also keine Personen aus dem direkten operativen Eisenbahnbetrieb, auch kein EBL. [Quelle]
  • NEE: Zusammenschluss einiger europäischer Güter-EVU. Der Vorstand ist ausschließlich mit geschäftsführenden Personen der teilnehmenden EVU besetzt, also keine Personen aus dem direkten operativen Eisenbahnbetrieb, auch kein EBL. [Quelle]

(Es gibt auch Überschneidungen der teilnehmenden EVU der Verbände)
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass diese ausschließlich arbeitgebergeführten Verbände ihren Standpunkt vertreten.

Am Ende des Artikels verweist die GDL auch wieder auf die Verschuldung der DB als Grund für die Trennung:

dass Reformbedarf angesichts von unbefriedigender Qualität und von über 32 Milliarden Euro Verschuldung des DB-Konzerns ohnehin auf der Tagesordnung steht

Hierzu sei nur lapidar gesagt: Eisenbahninfrastruktur ist immer durch Zuschüsse des Bundes abhängig und nie kostendeckend. Die Bundesbahn wurde u.a. wegen ihrer hohen Verschuldung aufgelöst. Eine neue Infrastrukturgesellschaft wäre ebenso vom Bund abhängig, sogar noch viel mehr, weil sie nicht mehr gewinnbringend wirtschaften sollte (was gut ist). Damit muss aber mehr vom Bund ausgeglichen werden. Das Argument der Verschuldung ist dementsprechend nur vorgeschoben, weil egal wie die Rechtsform ist: Infrastruktur = Verlustbehaftet. Egal ob das Unternehmen DB Netz AG heißt oder neu bspw. "Schieneninfrastruktur GmbH".